Tipps zur Ausschreibung

Sie haben sich entschlossen, Ihre erste eigene Produktion zu starten, hätten aber gerne noch einige Tipps zur Vorgehensweise?
Wie so oft im Leben gibt es auch für die gelungene Feature-Produktion kein Patentrezept.
Wir haben jedoch einige Tipps und Fragen für Sie aufgelistet, die dazu dienen können, eigene Ideen und Vorstellungen zu überprüfen und deren Umsetzung zu planen.
Die Liste versteht sich als kleine Hilfestellung. Sie ist ein unverbindliches Angebot, dass selbstverständlich, z.B. auf Grund eigener ästhetischer Überlegungen, vollständig ignoriert werden kann.

Vorüberlegungen

  • Muss die Geschichte meiner Wahl akustisch umgesetzt werden? Taugt sie für's Radio? Oder doch eher für die Zeitung? Oder ist sie gar visuell angelegt? Wer die Frage, ob die Geschichte akustisch etwas hergibt, mit "Aber sicher!" beantworten kann: An's Werk!
  • Was will ich erzählen? Und warum? Und welche Position nehme ich dazu ein? Wird es in meinem Stück einen Erzähler/eine Erzählerin geben? Und weiß der/die alles? "Begleitet" der Hörer mich auf der Recherche? Solche Überlegungen sind für die Aufnahmen wichtig und ersparen oft eine Menge Arbeit z.B. durch späteres Herumbasteln am Schnitt und durch Nachaufnahmen.
  • Ein gutes Feature hat eine Dramaturgie. Also schon einmal vorab darüber nachdenken: Wie fange ich an zu erzählen? Wie soll das Stück enden? Wie arbeite ich mit Widersprüchen, mit unterschiedlichen Standpunkten meines Materials? Und vor allem: Was wäre ein voraussehbarer Höhepunkt meiner dokumentarischen Erzählung?

Die Aufnahmen

  • Es gibt keine schlechten Mikrofone, nur schlechte Aufnahmen. Klingt eine Aufnahme unfassbar schlecht, war man in der Regel zu weit weg von der Schallquelle; oder man hat übersehen, daß ein Mikrofon – anders als das menschliche Gehör – nicht selektiv arbeitet, sondern ALLES aufnimmt, was härbar ist... also immer schön nah rangehen! Und Vorsicht vor Nebengeräuschen (Straßen, Klimaanlagen, Musikhintergrund etc.), die nicht nur das Gesagte verwaschen, sondern die auch die Schnittarbeit unnötig erschweren können.
  • Ein schlechtes Mikrofon gehört aber nun einmal zum Equipment? Dann ist es am einfachsten, aus der Not eine Tugend zu machen und eine werkimmanente Begründung dafür zu finden, warum der rumpelige Sound ästhetisch NOTWENDIG ist... :-)
  • In der Regel unterschätzt: der Windschutz. Fehlt er bei Außenaufnahmen, ist durch das Rauschen und Schlackern im Ton jede Aufnahme für die Katz'. Also, am besten an einem windstillen Ort aufnehmen, drinnen bleiben oder vielleicht einmal bei ebay nach Windkörben gucken oder schauen, ob diese gerade irgendwo im Sonderangebot vorrätig sind...
  • Akustisch saubere Interviews könnten wichtig sein. Das Feature bildet ab, was gesagt wird; es zeigt aber auch, WIE etwas gesagt wird. Deshalb: Versuchen Sie, den Körper des Sprechenden mit einzufangen, das Zögern, Stottern, Atmen etc.
  • "Talking Heads", also Interviewpartner ohne Bewegung und ohne Geräusche, wirken starr und schnell langweilig. Falls diese Ruhe nicht beabsichtig ist, kann es helfen, Soundeffects und gute Geräuschaufnahmen (Rascheln der Kleidung, Kugelschreiber, Stuhlrücken etc.) miteinzuplanen.
  • Gut vorbereitet in die Interviews gehen; jeder Gesprächspartner ist dankbar für ein Gegenüber, das versteht, worauf er/sie hinaus will.
  • Seltsame Wahrheit: Menschen sprechen gerne über sich selber. Und sie mögen Empathie... Aus diesem Grund am besten vorurteilsfrei in Gespräche gehen. Die eigene Meinung findet genug Platz in dem zu produzierenden Stück. Das Interview ist dazu da, Material zu sammeln und den Interviewpartner in seiner Wirklichkeit, die seine Wahrheit ist, abzuholen.

Das Script / Die Produktion

  • Zu Beginn bitte das akustische Material ordnen – vielleicht durch Transkripte, vielleicht durch Stichworte. Wenn es dann noch Lücken gibt, empfiehlt es sich, verbindende Texte für einen Sprecher zu schreiben. Der Text dient dem Material; nicht das Material dem Text.
  • Erzählen bedeutet zuerst einmal nichts anderes, als Material anzuordnen. Featuremachen bedeutet aber auch, sich von Material zu trennen! Es lohnt sich! Eine Geschichte ist in der Regel ausreichend. Zu viele Stories und Nebenerzählungen sind oftmals eher verwirrend.
  • Dasselbe gilt für die Produktion. 10 Atmo-Spuren und drei übereinandergelagerte Interviews können künstlerisch hochwertig sein, wenn man aber nichts mehr versteht, muss man über das Gehörte diskutieren.
    Ziel aber sollte sein, dass sich das Feature selbst erklärt.
  • Musik: Schön. Aber vorsicht vor der akustischen Phrase oder Floskel! Musik ist nicht bloß Untermalung oder "Stimmungsmache", sondern – im guten Feature – auch TEXT und akustisch lesbare Mitteilung, die etwas sagen will.
  • Ein Feature, das Lust macht, wie jeder andere gute Text, der nicht einfach nur plappert (Roland Barthes), vergisst sein Publikum nicht. Bitte also auch die Hörer nicht vergessen!
  • In diesem Sinne: Freunde und Verwandte sind als erste Testhörer Gold wert!

Das PLOPP!-Team ist gespannt!
Michael Lissek (Programm "Tag der freien Hörkunstszene 2008")